Warum Hörprüfung beim Fliegerarzt?
von Dr. Rudolf Rüscher
Die Hörprüfung im Rahmen der fliegerärztlichen Untersuchung zur
Beurteilung der Fliegertauglichkeit von Piloten und Pilotinnen hat eine eher
unterbewertete Bedeutung, wenn wir uns vergegenwertigen, dass die
Kommunikation zwischen Bodenstationen und Flugzeugbesatzungen,
Flugzeugbesatzungen untereinander zum großen Teil von derem Hörvermögen
und Sprachverständnis abhängig ist.
Auch lesen wir immer wieder von Flugunfällen wo das Missverständnis und
falsches Verstehen von Fluginformationen, Anweisungen und Freigaben von
Kontrollstellen von Piloten/innen als Hauptursache beschrieben wird.
Seit kurzem sollen nun die Englischkenntnisse der Piloten/innen in
regelmäßigen Abständen geprüft und bestätigt werden, dass aber fast alle
Piloten/innen an einem Lärmarbeitsplatz arbeiten wenn man den
Schallmessungen im Cockpit glaubt und dass es ein Problem „Hören“ im
Rahmen der fliegerärztlichen Untersuchung gibt findet mehr oder wenig keine
Aufmerksamkeit.
In möchte in weiterer Folge den Begriff „Pilot“ als Synonym für „Pilot und
Pilotin„ verwenden. Was sind nun die Mindestanforderungen an das Hörvermögen der Piloten:
Zur Beurteilung der Fliegertauglichkeit Klasse 2 (ohne
Instrumentenflugberechtigung) ist nur eine Sprachabstandsprüfung
vorgesehen. Dabei wird das Verständnis für Umgangssprache und
Flüstersprache ohne Hintergrundlärm geprüft. Diese Untersuchung hat nur eine
orientierende Bedeutung, ist nicht standardisiert und auch nicht
reproduzierbar.
Zur Beurteilung der Fliegertauglichkeit Klasse 1 ist in bestimmten zeitlichen
Abständen eine Audiometrie vorgesehen.
Die Audiometrie ist eine Hörschwellenbestimmung bei bestimmten
Hörfrequenzen, die eine subjektive Höreinschränkung des Piloten aufzeigt.
JAR-FCL 3: Audiometrie:
- Klasse1 – CPL,ATPL: bei der Erstuntersuchung, danach bis 40: alle 5, ab 40: alle 2 Jahre
- Klasse2 – PPL: Instrumentenflugberechtigung, danach bis 40: alle 5, ab 40: alle 2 Jahre
Ein Großteil der Piloten zwischen 40 und 60 Jahren hat bereits eine
Hörminderung im Sprachbereich, die im Audiogramm erkennbar ist
(4000 HZ Senke). Zum Teil sind auch jüngere Piloten betroffen, die bereits
Lärmschädigungen durch Freizeitaktivitäten (Konzerte, Discobesuch, MP3
playergebrauch) erlitten haben. Diesen geringgradig schwerhörigen Piloten ist
nicht bewusst, dass sie zwar nach eigener Auffassung noch alles hören können,
unter entsprechendem Hörlärm aber bereits ein deutliches Verständnisdefizit
aufweisen. Das Sprachverstehen kann unter Lärmeinfluss um bis zu 40% reduziert sein.
Da ist es leicht verständlich und nachvollziehbar dass es bei entsprechendem
Lärmeinfluss im Cockpit schon Verständnisprobleme geben kann.
Die meisten Piloten helfen sich dadurch aus, dass sie die Lautstärke des
Funksprechverkehrs oder des Intercoms erhöhen. Dies führt jedoch unbedingt
nicht zu einem besseren Sprachverständnis sondern erhöht eher noch die
Gefahr einer weiteren Lärmschädigung des Gehörs.
Der Schalldruckpegel in Propellermaschinen der General Aviation liegt bei ca. 90-97 dB (A).
Hörschäden sind zu erwarten, wenn 88 dB (A) länger als vier Stunden auf die
Ohren wirken, 91 dB (A) länger als zwei Stunden, 94 dB (A) länger als eine
Stunde und 97 dBA länger als 30 Minuten, 100 dBA länger als 15 Minuten und
105 dB (A) länger als 4,8 Minuten.
Anhand der o.g. Werte, kann sich jeder Pilot selbst ausrechnen, wie lange er
sich ungeschützt dem Cockpitlärm aussetzen darf, ohne dass sein Gehör
Schaden nimmt.
Zum Glück tragen mittlerweile fast alle Piloten Headsets, welche einen
gewissen passiven Lärmschutz gewährleisten,jedoch sind sich die Piloten
nicht der Tragweite der Lärmbelastung im Cockpit für ihre Gesundheit bewusst
und auch nicht der Problematik des Sprachverständnisses. Auch die
Interessensvertretungen der Piloten scheinen dieses Problem nicht zu
erkennen.
Wenn es so wäre, dann müssten alle Möglichkeiten des Lärmschutzes im
Cockpit genützt werden, d.h. auf das Flugzeugmuster abgestimmter Lärm- und
Gehörschutz, welcher die vorhandenen Lärmfrequenzen möglichst gut
abschirmt, je nachdem ob auf Propellermaschinen oder auf Jets geflogen wird.
Das „aktive Headset“, welches durch den Aufbau eines „Antischalls“
die Schallintensität reduziert und die Sprachverständlichkeit
verbessert, ist zur Zeit die beste Möglichkeit das Gehör des Piloten zu
schützen , leider nur im Tieftonbereich bis 1000 Hz.
Im Hochtonbereich ist der beste und billigste Lärmschutz der
„Schaumgummigehörschutz“ im Gehörgang, als passiver Gehörschutz.
Ich möchte mit meinen Ausführungen den Piloten bewusst machen, dass der
Arbeitsplatz Cockpit lärmbelastet ist, je nach Flugzeugtype mehr oder
weniger, einerseits im tiefen, andererseits auch in hohen
Frequenzbereichen und eigentlich jeder für sich die Entscheidung
treffen sollte, wie er sich am besten schützen kann. Das Hörvermögen
und das Sprachverständnis ist zu wichtig für einen reibungslosen und
unfallfreien Flugverkehr.
Auch sollten die Passagiere nicht vergessen werden, für sie gelten die gleichen
Maßstäbe, auch wenn sie zeitlich nicht so lange exponiert sind wie das
fliegende Personal. Piloten und Luftfahrtunternehmen sollten Ihren zahlenden
Fluggästen einen entsprechend guten Gehörschutz anbieten.
Fliegerarzt Dr.Rudolf Rüscher, AME Klasse 1, CPL/IFR
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