Pappbrötchen schlägt Gummiwurst
Das Kult-Erlebnis mit der Deutschen Bahn kennt doch bestimmt jeder:
Großraumwagen... der Platz ist gefunden, das Gefährt setzt sich in Bewegung.
Lektüre schnappen, lesen. Das Kind vom 'Platz mit Tisch' kräht munter vor sich
hin und testet die Schlagfestigkeit der Tischplatte. Nicht weiter wild. Ein
Mensch führt ein Gespräch mit einem entfernten Kontinent... China? Scheint eine
schlechte Verbindung zu sein... Bahn eben... Geht auch noch. Der Nebenmann ruft
Gisela an und informiert sie über die neueste Krankengeschichte von Tante
Frieda, in allen Einzelheiten. Zwischendurch die obligatorische
Verbindungskontrolle: 'Bist du noch da???' Schon wilder. Ganz in der Nähe
raschelt es... 12:00 Uhr... das Leberwurstbrot muß herausgekramt werden...
Extrem wild! Ich hasse Leberwurst und ich hasse diesen Gestank und ich mag das
jetzt nicht riechen... Ist das noch zu toppen? Ja, der Herr da vorne mit seinem
gepellten Ei... Nase zu und durch... noch drei Stunden bis zum Ziel.
Die Tür geht auf, es bimmelt wie Weihnachten, wenn das Wohnzimmer zwecks
Bescherung gestürmt werden kann: Der kultige Heißmacher-Würmchen-Lieferservice
rückt an... das wär' doch bestimmt was für den Eivernichter in Reihe 15...
NEIN!!! Mein Nebenmann läßt sich diesen wurstfarbenen Gummispaghetti aus der Warmhaltebox
rüberzittern...
Ich glaub', mir reicht's. Aussteigen? Bringt nichts, ich will ja
schnellstmöglich ankommen. Umsetzen? Überall das gleiche. Wenn nicht Wurst, dann
ist Mandarine im Spiel. Nein. Ich werde das nächste Mal ein anderes Ziel und ein
anderes Transportmittel wählen. Ich nehme das Flugzeug. Für 39 Euro nach
irgendwohin. Für weniger Euro mehr Meilen zurücklegen. Ja, das isses!
Dort kommt kein Mitropa-Mann mit Gummi-Wurst durchgebimmelt. Nein, das ist
besser im Griff: dort gibt es Einheitsvollkornbrötchen mit Käse und verirrtem
Tomatenstreifen in nicht knisternder Plastik-Pelle, was immense Vorteile hat:
kein Ellenbogencheck des Nachbarn, der seinen nervösen Picknick-Prügel nicht
bändigen kann, kein Senfhaufen, der mich provozierend angrinst, kein Geraschel
von Butterbrotpapier, dessen fettige Ecke mich womöglich gleich streift, einfach
nur Genießen. Das vertraute Aufbackbrötchen, das an herrliche Berlin-Flüge zu
frühmorgendlicher Schlitzaugenzeit erinnert, allerdings jetzt ohne Kampf mit dem
Nahrungsbaukasten und widerspenstigem Plastikbesteck. Das beste jedoch: es
duftet aus jeder Reihe gleich.
Aber das ist bestimmt nur vorübergehende Flugidylle.... es wird nicht mehr lange
dauern, bis auch Herr und Frau Leberwurst das Flugzeug entern und auch hier ihre
Duftmarke setzen. Aber da ja nach wie vor jeder einchecken muß, kann dort ja
auch gleich die Duftabsonderung in geregelte Bahnen gelenkt werden: "Raucher
oder Nichtraucher? Fenster oder Gang? Wurst oder Käse?" .... "Käse,
Nichtraucher, Fenster bitte"... "OK... dann reihen wir Sie bei den 'Cheesies'
ein, Platz 5F. Guten Flug!".
Noch besser kann das natürlich jeder Privatpilot kanalisieren: entweder
persönlich eingeschärfte Diätparole schon vor dem 'Boarding' oder für die
Gehörschwachen nach dem Start ein Manöver, das dem Brötchen eine lange
Galgenfrist in der Tasche beschert...
In diesem Sinne: allzeit freies Atmen!
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