Wie geht man mit einem Flugunfall um...?
Die mit Nachrichten beruflich Befassten melden, was das Zeug hält. Klar: Das ist
ihr Job, und das wird auch von der Öffentlichkeit erwartet. Dem Charakter der
jeweiligen Redaktion entsprechen Art und Weise der Meldung und Dichtung und
Wahrheit.
Stimmt das...?
Nicht mehr wirklich. Am Namen des Senders, des Magazins, der Zeitung kann man
nicht mehr festmachen, wie ernst man Einzelheiten nehmen muss. Allerdings nicht
dergestalt, dass Boulevard-Nachrichten vom Konsumenten kräftig gefiltert oder
sogar überhaupt nicht mehr ernst genommen werden müssen, sondern es ist viel
schlimmer...
Die sogenannten 'seriösen Quellen' sind bedrohlich infiziert. Vom Quoten-Virus.
Dass der Tatsachengehalt von Flugunfall-Meldungenvon bei ARD, ZDF, n-tv,
Spiegel, Süddeutsche, FAZ beruhigend hoch ist, war mal... Inzwischen adaptieren
sich auch die mehr und mehr an der Boulevard-Qualität.
Die wenigsten Medien leisten sich echte Experten, also Menschen, die vom
jeweiligen Fach eine Menge verstehen und die gelassen genug sind, den Ball flach
zu halten. Denn: Mögliche Schlussfolgerungen aus bekannten Fakten vor dem
Hintergrund von Fachwissen und Erfahrung sind durchaus zulässig und gegenüber
wilden Spekulationen auch durchaus wünschenswert. Denn dazwischen besteht ein
entscheidender Unterschied: Medien-Spekulationen dienen nicht der Aufklärung des
Konsumenten, sondern sind die Duftmarke der Orchidee, mit der Insekten angelockt
und anschließend vertilgt werden. Schlussfolgerungen, die aus Fachwissen und
Fach-Erfahrung geäußert werden, können sehr wohl das Überlegungsspektrum des
interessierten Konsumenten erweitern.
Aber warum kommt es denn zu 'wilden Spekulationen'?
Weil der Konsument es will! Eine reine Nachricht 'Um 12:34 Uhr ist nahe
Krumpelshausen ein Flugzeug abgestürzt' ist gar nichts. Wir lesen oder hören es,
und natürlich wollen wir mehr wissen: Wie ist das passiert, warum, was für ein
Flugzeug, nur Sach- oder auch Personenschaden, und...und...und. Völlig normal,
liegt in der Natur des Menschen. Und wenn wir hier keine weiteren Einzelheiten
erfahren, suchen wir sie uns woanders, anderer Kanal, andere Zeitung, im
Internet. Wer aber eine Nachricht verbreitet. will den Konsumenten nicht an
andere verlieren. Also wird alles, was irgendwie greifbar ist, hinzu-'gemeldet'.
Und Experten sind selten greifbar. Und oft auch nicht 'medienwirksam'.
Und wie sollen wir selbst, die Konsumenten mit zwangsläufig mehr Fachwissen als
der berühmte Otto Normalverbraucher oder Rosina del Monte, mit einer Flugunfall-
Nachricht umgehen?
Sollen wir wirklich, nur weil wir Piloten sind, meist 'nur' Privatpiloten, uns
mit Schlussfolgerungen (im Sinne der eben erwähnten Definition) zurückhalten,
wie es vereinzelt in Newsgroups und Foren gefordert wird? Warum?
Wie schon gesagt, es liegt in der Natur des Menschen, sich über eine Nachricht
Gedanken zu machen und durch Schlussfolgerungen die momentanen Lücken zu
ergänzen. Der Drang nach dem Warum ist normal. 'Mein Auto ist kaputt' reicht uns
nicht, wir wollen natürlich wissen warum. Und bevor sich ein Fachmann den
Schaden ansehen kann, stellen wir selbst Überlegungen an, natürlich. Damit
hebeln wir keineswegs den Fachmann aus. Und wenn sich Piloten über einen
Flugunfall unterhalten und ihre durchaus oft verschiedenen persönlichen
Schlussfolgerungen ziehen, so ist das durchaus nicht verwerflich. Und allemal
besser und fachlich fundierter, als so manche von öffentlichen Nachrichtenmedien
verbreitete 'Information'.
Und gerade die verschiedensten Schlussfolgerungen in Pilotengesprächen bergen
einen ebenso interessanten wie wertvollen Vorteil: Wir hören verschiedenste
Ansätze, und, völlig gleichgültig, ob die im konkreten Fall zutreffen oder
nicht: Sie sind es allemal wert, auf der 'persönlichen Festplatte' gespeichert
zu werden! Denn man erfährt zuweilen Gedankengänge, die durchaus in anderen
Situationen, in die wir kommen können, zutreffen könnten...! Je offener wir für
die vielfältigen fremden Gedankengänge sind, umso wertvoller für die Erweiterung
unserer eigenen...!
Zu fordern, bis zum endgültigen Bericht der BFU das Thema nicht anzufassen, ist
weltfremd und von einem denkenden Menschen nur durch Einnahme von Valium zu
realisieren.
Und so lange wir unsere Schlussfolgerungen nicht so wie viele Medien öffentlich
als Tatsachen 'verkaufen', heben wir uns wohltuend davon ab...
Ganz herzliche Grüße, euer
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