Und munter hüpft die Olive...
Ich hatte ernsthaft gedacht, dass sich die Zeit, bis die rauhe Wirklichkeit
in ein Flugzeug vordringt, doch noch etwas herauszögern lässt, aber seit letztem
Freitag weiß ich, dass auch die Luftfahrt gewissen Massentrends machtlos
gegenübersteht.
Man merkt deutlich, dass Leute mit mehr Bahnerfahrung in den Flieger steigen
und liebgewonnene Bahngewohnheiten natürlich gerne mitnehmen. Sie ziehen ja
schon seit geraumer Zeit ihren 'Hackenporsche' selbst bis ans Transportgerät,
muss man bei der Bahn ja auch... Sie können Salat trotz Turbulenzen bändigen, in
der Bahn geht's auch nicht ruckelfrei zu, sie meinen sogar, selbst Tomatensaft
noch bei unruhigem Flug unfallfrei rühren zu können. Auch mein Sitznachbar kann
nicht widerstehen: kräftig rot mit Pfeffer und Salz wird der saftige Genuss
kredenzt wie eh und je. Und es wird gerührt, was das Zeug hält. Bis ein
kräftiger Spritzer meine Hose nur knapp verfehlt. Was wäre mir wohl entfleucht,
wenn...
Die guten Sitten gehen aber schon am Boden flöten, und auch Flughafenplaner
sind gegen die neue Produkt- und Verhaltens-Pest nicht immun: An der
Schnittstelle zwischen gemeinem Pax und gemeiner Technik kommt Windows zum
Einsatz, das kennt der fliegende Büromensch, er soll sich doch 'heimisch'
fühlen. Gleich nach Betreten des neuen Superterminals am Münchener Airport lacht
mir dann auch an der Anzeigetafel an der Wand, direkt auf Augenhöhe eine allzu
vertraute Windows-Fehlermeldung entgegen! Nein, dieses eine Mal kein Blue
Screen, das hatten wir ja bereits, dieses Mal reagiert offensichtlich das
Anzeige-Programm nicht so wie es soll, und an der Wand leuchtet überdimensional
der Hilfeschrei nach Tastendruck: "Programm beenden oder abbrechen". Ich weiß
genau, dass das Ding dort kein Touchscreen ist, und dennoch wandert mein Finger
zielsicher auf die (vermeintliche) Rettungs-Taste. Wenn das so einfach wäre...
Ob die Ansage wohl auch gleich ins Stocken gerät, die jedes Mal mit einem echten
Windows-Gong eingeläutet wird? War das nicht mal der Gong, der nach jedem
Neustart des Rechners ertönte...? Eigentlich habe ich Feierabend und eigentlich
hatte ich mir den ohne diese leidigen Erinnerungen an nervenaufreibende After-
Absturz-Prozeduren vorgestellt...
In der Luft geht's dann weiter. Hier halten allmählich
tatsächlich Bahnreisegewohnheiten Einzug. Habe ich mich nicht noch vor
einem Jahr scherzhaft darüber ausgelassen, dass sich die Leute wohl demnächst
wegen der No-Frills-Tendenz an Bord ihr Essen selbst mitbringen? Nun ist es
soweit. Tatort: der letzte Flug am Freitag von München nach Münster. Plötzlich
steigen Duftschwaden von Essig und Öl in meine Nase. Bei genauerem Hinriechen
auch strenger Käse und Oliven... Seit wann wird hinter dem Vorhang wieder
gecatert? Weit gefehlt! Eine wohl bahnerfahrene Passagierin (ich habe, glaube
ich, noch nie einen Mann vor einem Salatkübel gesehen...) hat sich ihr Abendmahl
zurechtgepicknickt: eine Riesenschüssel griechischer Bauernsalat, die wohl
irgendwo am Flughafen aufzutreiben gewesen war. Und los geht das Gegabel.
Insgeheim wünsche ich mir, dass eine Olive mal in Richtung Nase hüpft, dann
hätte die Stinkeprozedur ein vorzeitiges Ende... Leider muss ich mich bis zur
Hälfte der Plastikwanne gedulden. Dann wird der Nahrungsbottich wieder in die
knisternde weiße Plastiktüte verbannt und auf dem Tisch abgestellt. Ganz wie in
der Bahn... Ob sie für den Rest des Fluges genauso angestarrt wird, wie die
Nahrungstüten auf den Bahntischchen kann ich leider nicht erkennen...
Völlig desillusioniert sinke ich noch weiter in meinen Sessel als mich die
Müdigkeit ohnehin schon sinken lässt. Das darf doch nicht wahr sein, Ei und
Leberwurst sind nicht mehr fern. Windows verfolgt mich bis in die heiligen
Terminals eines Flughafens und bald wird wohl wirklich eine Stange unter der
Kabinendecke angebracht, um auch noch Stehplätze zu verkaufen... Ich glaube, ich
muss mir ein anderes Transportmittel suchen. Ob ich vielleicht doch mal....
In diesem Sinne: relaxtes Fliegen!
Eure
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