Nachtfluggedanken
Jeder, der schon mal auf einem einsamen Nachtflug war, hat es erlebt. Man blickt
rund um sich und ist fasziniert von den blitzenden Sternen, zwischen denen sich
eine erstaunliche Vielzahl von blinkenden Lichtern anderer Flugzeuge bewegt. Ein
grandioser Anblick, zu dessen Ganzen man gerade beiträgt.
Man hat Zeit, darüber nachzudenken, wie sich das alles entwickelt hat. Vor
erstaunlich kurzer Zeit, gerade mal hundert Jahre, konnte man die Sterne nur vom
Boden aus sehen, und obwohl die paar tausend Fuß, die wir gerade über der Erde
sind, physikalisch zur Entfernung zu den Sternen keine Bedeutung haben, fühlt
man sich ihnen doch bedeutend näher, schwimmt gleichsam mit ihnen gemeinsam
durch die Nacht.
Das alles haben wir einigen wenigen Menschen zu verdanken, die heute mit Recht
als historische Persönlichkeiten gelten. Menschen, die zu ihrer Zeit dadurch
auffielen, dass sie Visionen hatten, und zwar ziemlich skurrile. Und diese, auch
und gerade entgegen den bis heute wohlbekannten Unkenrufen zu verwirklichen
suchten.
Menschen wie Lilienthal, Wright, Lindbergh haben die Grundlagen dafür und für
die Fortentwicklung gelegt. Übrigens alles Menschen, die heute auf so manchen
Flughäfen gar nicht mehr landen dürften, weil sie zu kleine Flugzeuge flögen und
nicht IFR unterwegs wären. Und ohne die diese Flughäfen überhaupt nicht
existieren würden...
Einer dieser Visionäre war zweifellos auch Howard Hughes. Von Anfang an
finanziell bestens ausgestattet, fiel diese sonst häufige Hürde schon mal weg,
und so konnte er seine Faibles weitgehend ausleben. Vor allem das Fliegen
begeisterte ihn, und so wundert es nicht, dass der begabte Techniker einen
bedeutenden Teil seiner Interessen auf diesem Gebiet zu verwirklichen suchte.
Unter anderem verdankt die Luftfahrt beispielsweise das Einziehfahrwerk seinen
Tüfteleien, denen auch etliche Geschwindigkeitsrekorde zum Opfer fielen. Die
'Sproose Goose' ist ein Wasserflugzeug, das bis zum heutigen Tage das größte
funktionstüchtige Transportflugzeug geblieben ist.
Über eben diesen Howard Hughes, der sich seinerzeit auch im Filmgeschäft
engagierte (sein Hauptwerk: 'Hells Angels', ein Fliegerei-Epos), kommt nun im
Januar ein Film in die Kinos: 'The Aviator'.
Wenngleich Filme über Persönlichkeiten der Luftfahrt im Vergleich zu den vielen
unsäglich armseligen Katastrophenfilmen, die dem sensationsgeilen Publikum
üblicherweise kredenzt werden, sich angenehm abgrenzen, darf man bezweifeln,
dass 'The Aviator' diesem Anspuch ebenfalls gerecht werden wird. Zum einen, weil
der US-Streifen zu Zeiten produziert und auf die Leinwände gebeamt wird, in
denen die USA nichts dringender brauchen, als Selbstbeweihräucherung und
kollektives Schulterklopfen.
Und zum Anderen, weil Leonardo DiCaprio die Hauptrolle spielt. Und Hughes hatte
nun so gar nichts von einem weichfleischigen Babyface an sich, weder dem Äußeren
nach, noch substantiell.
Und so wird im Januar vermutlich ein öliges Heldenepos schwülstig die Leinwände
einfetten und etliche Kanister Tränen die Taschentücher befeuchten, ohne dem
Betrachter das Wesentliche einer bemerkenswerten Persönlichkeit der Luftfahrt zu
vermitteln. Schade, wenn es so käme. Umso erwartungsvoller darf man dem Januar
entgegensehen.
Im Augenblick aber genießen wir einfach die grandiosen Eindrücke, die uns der
Nachtflug inmitten der Sterne schenkt. Eindrücke, die uns möglicherweise auch
die eine oder andere Träne in den Augenwinkel schicken.
Euer
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