Äpfel und Birnen - Sind wir reif genug...?
Wir sind schon ein komisches Volk.
Grummeln gegen jede Art von Fremdbestimmung, wollen lieber selbst bestimmen,
eigenverantwortlich sein. Und wenn es dann in irgendwelchen Teilbereichen
unseres Lebens soweit ist, bricht Chaos aus und die eben noch nach "Freiheit!"
gebrüllt haben, schreien nun nervös "Das ist Anarchie!"
Kennt ihr diese kleinen Hündchen, die jedes vorbeifahrende Auto schrill
ankläffen...? Und wenn eins mal anhält, dann mit blödem Gesichtsausdruck da
stehen und nicht wissen, was nun...? Das können nur deutsche Hunde sein...
Mit schöner Regelmäßigkeit wird hierzulande immer wieder das Thema 'Flugleiter'
diskutiert, wann immer mindestens zwei Flieger der Allgemeinen Luftfahrt
zusammenkommen. Und es wird schwadroniert, wie super das doch in anderen
europäischen Ländern geht, und ganz besonders in den USA. Und dabei wird dann
völlig übersehen, dass da Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Besagte Länder kennen das eigen-verantwortliche Fliegen, sie haben es sozusagen mit
der Muttermilch, dem Avgas 100, eingeflößt bekommen. Was aber ist mit uns...?
Sehr viele, zu viele Privatflieger bei uns kennen die Eigenverantwortlichkeit
nur aus dem theoretischen Unterricht, schlimmstenfalls nicht einmal daher,
sondern nur aus dem eingetrichterten Fragenkatalog zur PPL-Prüfung. Und das
war's dann, denn im täglichen Fliegerleben haben sie nie einen flugleiterlosen
deutschen Platz angeflogen. Bleibt beim Initial Call mal kurzzeitig die Antwort
aus, macht sich schon Nervosität breit: Hilfe!!
Und so erklären sich dann auf unkontrollierten Plätzen solche nationalen
Kuriositäten, wie das Bitten um Startfreigaben, Lande- und Rollanweisungen,
Erlaubnis zum Verlassen der Frequenz, Freigabe zum Aussteigen und zur Toilette
gehen.
Wie sehr sich auf den Flugleiter verlassen wird und wie falsch dessen
Arbeit begriffen wird - und wie gefährlich das für alle ist! - offenbart sich
folgerichtig in der weitreichenden Unkenntnis der Verantwortlichkeiten. Wenn
gravierende, ja sogar existentielle Ahnungslosigkeit
herrscht. Wenn nämlich in dem konstruierten Fall, dass ein Flugleiter eine
falsche Landerichtung angibt und es in der Folge zu einem Unfall kommt, vielen
Piloten mehr als nebulös ist, wer da zur Rechenschaft gezogen werden kann!
Wohlgemerkt: Diese Ahnungslosigkeit ist letztlich anerzogen! Wir kennen es ja
nicht anders. Jedenfalls wir Motorflieger - Segelflieger sollten da naturgemäß
umsichtiger sein...
Wir könnten es uns so schön unkompliziert machen! Wir brauchten nur jeden
unkontrollierten Platz so anfliegen, als gäbe es keinen Flugleiter dort!
Rechtzeitig im Platzfunk mithören, um sich ein dreidimensionales(!) Bild des
dortigen Traffics machen zu können, die elementaren Positionen zu funken, also
Einfliegen in die Platzrunde/Downwind, jede Richtungsänderung, z.B. Base und
Final, die Augen offen halten, also die Umgebung und die Instrumente
unablässig überwachen. Und die Infos(!) des Flugleiters als willkommene
Zusatzinformationen zu nehmen! Und sollte dann tatsächlich der unwahrscheinliche
Fall eintreten, dass der Flugleiter eine 'falsche' Landerichtung mitteilt, weil
er beispielsweise die Bahn 'gedreht' hat, aber noch jemand in der 'alten'
Landerichtung unterwegs ist, haben wir das inzwischen längst registriert und
können uns entsprechend verhalten, im Zweifel also noch einmal abdrehen - mit
ensprechender Vorsicht und Kommunikation über Funk natürlich, damit andere sich
darauf gegebenenfalls einstellen können.
Wir werden schnell entdecken, dass das eigenverantwortliche Fliegen Riesenspaß
macht! Und dass das bei uns nicht nur beinahe genauso gut möglich ist, sondern
sogar unbedingt so sein sollte! Der Flugleiter stört überhaupt nicht, er ist uns
eine zusätzliche Hilfe. Was stört, ist der Flugleiterzwang...!
Wenn wir wollen, dass wir eines Tages landen dürfen, auch wenn der Flugleiter
mit seinem Moped bereits zum Abendessen gefahren ist, müssen wir alle uns darauf
vorbereiten, müssen beweisen, dass wir nicht mit Worten, sondern faktisch
eigenverantwortlich fliegen können! Zuerst das, und nicht umgekehrt! Bei der
derzeitigen Einstellung ganz vieler Flieger würde ich dann lieber zu Hause
bleiben...
Von daher also sind zu viele noch nicht reif genug - um es zu werden, braucht es
aber zuerst 'nur' Eigeninitiative! Wenn wir im jetzigen Stadium schon nach der
Änderung von national geltenden Vorschriften schreien, demonstrieren wir genau
das, dass wir ohne Anweisungen nicht handlungsfähig sind...
Und das wollen wir doch nicht, oder...?
Euer
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